Das eben ist die große Selbsttäuschung, der wir uns hingeben, dass wir den Tod in die Zukunft verlegen: Zum großen Teil liegt er schon hinter uns, alles vergangene Leben liegt im Banne des Todes.
Lucius Annaeus Seneca
Was Seneca aus philosophischer Sicht ganz richtig bemerkte, hätte damals biologisch noch nicht bewiesen werden können. In der Tat sterben wir schon nach nur zwei Jahrzehnten langsam vor uns hin, denn die abbauenden Funktionen werden immer stärker und schneller, und die aufbauenden Funktionen werden immer langsamer.
Die Beunruhigung
Viele Menschen stellen sich vor, dass ein Leichnam, der in der Erde begraben wurde, nach und nach von Würmern aufgefressen wird. Zugegebenermaßen keine schöne Vorstellung.
Bei Verwesung schießen uns Bilder in den Kopf, die wir aus Filmen oder anderen Medien kennen – aber mit Maden übersäte Leichname existieren im Kriminalfall oder wenn sie lange nach Eintritt des Todes gefunden werden. All dies trifft nicht auf die Situation eines „normal“ Verstorbenen zu, der im Sarg begraben wurde. Aber der Reihe nach.
Was passiert nach dem Tod?
Nach dem Tod setzen zunächst die Stoffwechselfunktionen aus, was zur Austrocknung führt. Dadurch verhärten sich die Muskeln, und die Leichenstarre setzt ein. Sie löst sich nach ein bis zwei Tagen durch die Autolyse: Die Selbstauflösung von abgestorbenen Körperzellen sorgt dafür, dass die Muskeln wieder erschlaffen. Nun ist auch das Ankleiden des Verstorbenen möglich.
Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze, die bei Lebzeiten im Darm für Ordnung gesorgt haben, wenden sich der neuen Aufgabe zu: Wenn es vorher um das Zersetzen des Essens ging, so wird nun der Körper von innen vernichtet – was die Fäulnis insgesamt begünstigt. Wie der Kölner Kollege Christoph Kuckelkorn einmal in einem Zeitungs-Interview sagte: „Wie cool ist das denn? Wir tragen alles für eine vernünftige Bestattung in uns.“
Und was ist nun mit den Würmern?
Bei einer Erdbestattung wird der Sarg etwa zwei Meter tief in die Erde gelassen, und in diesem Bereich leben keine Würmer. Ein Holz-Sarg ist recht kompakt und sauerstoffarm, und zudem ist es in der Erde kühl. Daher dauert die Zersetzung der Weichteile etwa ein bis zwei Jahre; Nägel, Haare, Knochen benötigen naturgemäß mehr Zeit. Dies alles ist immer auch abhängig von den individuellen Gegebenheiten, zum Beispiel von Medikamenten, die der Verstorbene nahm.
Ein wesentlicher Faktor ist auch der Boden, in den der Sarg eingebettet wird. Die Ruhezeit auf einem Friedhof ist also nicht umsonst im Schnitt auf 20 Jahre festgesetzt. Und sobald noch jemand ins Grab hinzukommt, verlängert sich die Zeit wiederum.
Kurz und knapp war der Ausflug ins Verwesungskapitel, und doch hoffentlich hilfreich bei der Aufklärung, dass ein Leichnam eben nicht von Würmern aufgefressen wird, so dass die Furchtsamen unter uns nun besänftigt sind in dieser Hinsicht.
Wer mehr dazu wissen will, den interessiert sicher der Artikel im „stern“ (Nr. 13/2021) über den Rechtsmediziner Claas Buschmann und seine Arbeit.